Afrika in Berlin: Ethnologisches Museum zeigt neue und alte Schätze

Erschienen auf www.artandevents.mediaquell.com 2009


Das Ethnologische Museum in Berlin besitzt mit 500 000 Objekten aus der ganzen Welt, darunter circa 75 000 Objekte afrikanischer Kunst, eine bedeutende Sammlung von Weltrang. Die Mehrzahl der Schätze befindet sich im Magazin und nur ein Bruchteil der Bestände kann dem Besucher präsentiert werden. Dies soll sich in Zukunft ändern.

Vier neue Themenbereiche

Seit dem 3. September 2009 hat die Afrika-Abteilung vier neue Themenbereiche.

„Benin, Die Geschichte eines westafrikanischen Königreichs“ zeigt höfische Kunstobjekte aus dem Königreich Benin, heute Nigeria, aus dem 15. bis 17. Jahrhundert, die das letzte Mal vor dem 2. Weltkrieg präsentiert wurden. Sie gehören zu den größten und bedeutendsten Sammlungen weltweit.

Der Bereich „Bamum. Tradition und Innovation im Kameruner Grasland“ zeigt neben berühmten Objekten, wie dem perlenbestickten Thron aus Bamum, der als Geschenk an Kaiser Wilhelm 1908 nach Berlin kam, ebenfalls noch nie ausgestellte Objekte, die einen Einblick in die Kultur Bamums während der Kolonialzeit geben sollen.

Neben diesen zwei neuen historischen Teilen der Afrika-Sammlung überrascht das Museum mit Neuerwerbungen der zeitgenössischen afrikanischen Kunst. Es handelt sich um Fotografien der südafrikanischen, international bekannten Künstler Pieter Hugo und Nontsikelelo Veleko. Die farbigen Ganzkörperportraits der 1977 in Johannesburg geborenen Künstlerin Veleko tourten schon rund um die Welt und werden im November auch auf der bekannten Fotomesse „Paris Photo“ in Paris zu sehen sein. Die Farb- und Schwarzweißfotos der Hyänenmänner, Gaukler oder Medizinmänner des 1976 geborenen Fotografen Pieter Hugo werden in Galerien in den USA, der Schweiz und in Südafrika gehandelt, und wurden teilweise als Buchbände z. B. im Prestel Verlag veröffentlicht.

„Afrika in Berlin“ zeigt eine beeindruckende Ijele-Maske der Igbo-Kultur aus Nigeria, die von Anayo Nwobodo über den Verein Ikuku Berlin für Berlin als Leihgabe geschaffen wurde. Die meterhohe, farbenreiche Maske kommt nur zu außergewöhnlichen Festen im Südosten Nigerias zum Tanzen. Sie steht in Dahlem als Zeichen des kulturellen Austausches zwischen Nigeria und Berlin.

Die Bereicherung der Sammlung in Dahlem mit zeitgenössischer afrikanischer Kunst dient nicht nur zur historischen Betrachtung Afrikas in der Entwicklung im 20. und 21. Jahrhundert, die nicht auszuschließen ist, wie es im Pressetext steht; sie ist eine Erweiterung der Kunstsammlung, die noch lange nicht abgeschlossen ist. Diese neuen Themenbereiche der Afrika-Ausstellung stehen im Zusammenhang mit konzeptionellen Überlegungen zur Präsentation Afrikas im Humboldt-Forum des 2015 geplanten Berliner Stadtschloss nahe der Museumsinsel.

Die historischen Sammlungen sollen aus der Enge einer ethnografischen Betrachtung befreit werden und in einem neuen Umfeld auch als Zeugen einer geschichtlichen Entwicklung dienen.


Das Pariser Modell

Die Franzosen haben schon vor längerer Zeit eine Umgestaltung ihrer Sammlungen in Angriff genommen, eine Initiative des ehemaligen Staatspräsidenten Jacques Chirac. Das Pariser ethnologische Museum „Musée de l´Homme“ am Trocadéro wurde vorerst geschlossen. Definitiv wurde das „Musée National des Arts d´Afrique et d´Océanie“ im 12. Arrondissement von Paris geschlossen und im selben Gebäude die „Cité nationale de l’histoire de l’immigration“ (zur Geschichte der Immigration) eröffnet.

Die Pariser Kunstsammlungen der Zivilisationen Afrikas, Ozeaniens, Asiens und der nichtabendländischen Zivilisationen Nord- und Südamerikas wurden 2006 in einem modernen Bau des Star-Architekten Jean Nouvel neu zusammengeführt.

Dort, am Quai Branly, nicht weit vom Eiffelturm, erfuhren die historischen Gebrauchsgegenstände und Handwerke die Anerkennung als Kunstwerke, die ohne inhaltliche Beschränkung und mit möglichst wenigen Kommentierungen gezeigt werden sollten. Ein Präsentationsduktus, den das Musée Dapper, schon seit 1986 mit Wechselausstellungen vertritt. Die Stiftung in Paris bietet einen Raum für Kunst und Kultur Afrikas und der Karibik und deren Diaspora.

Das Musée du Quai Branly, wird auch „Musée des arts premiers“ genannt, übersetzt „Museum der ersten Künste“. Chirac veranlasste, dass schon ab 2000 circa 120 Meisterwerke verschiedener Sammlungen in einem Seitenflügel des weltberühmten Musée du Louvre, dem Pavillon des Sessions, gezeigt wurden. Der Kunsthändler, Sammler und Freund Chiracs Jacques Kerchache setzte sich früh für die arts premiers ein. Die Bezeichnung machte er 1990 in einem manifest-artigen Artikel in der „Libération“ publik und erklärte, dass „alle Meisterwerke der Welt frei und gleich geboren seien“. Die frühere Bezeichnung art primitif ist seitdem ein eher abwertender Begriff in der französischen Sprache.
Kerchache überzeugte den Staatschef und konzipierte noch vor seinem Tod 2001 die Ausstellung der Meisterwerke der Zivilisationen Afrikas, Ozeaniens, Asiens und der nichtabendländischen Zivilisationen Nord- und Südamerikas im Louvre nach ästhetischen Kriterien, um der Welt die Schönheit dieser Kunst vor Augen zu führen. Die Kunst, die etliche Maler der Moderne am Anfang des 20. Jahrhunderts in Europa zutiefst beeinflussten, bekamen endlich einen Ehrenplatz im Louvre. Die Direktion des Louvre wehrte sich damals gegen das Vorhaben und auch heute noch könnte man die schlechte Öffentlichkeitsarbeit für diesen Bereich im Louvre, der den Titel „100 chefs
d´oeuvres“ trägt, als anhaltenden Trotz des Museums deuten. Dieser Bereich gilt nun als „Botschaft“ des musée du quai Branly und ist nur auf deren Webseite zu finden.

Neue Zugänge zu Weltkulturen im Humboldt-Forum

Im zukünftigen Humboldt-Forum in Berlin-Mitte sollen die historischen Sammlungen aus Afrika aus der Enge einer ethnografischen Betrachtung befreit werden und die zeitgenössische Kultur Afrikas sowie Fragen der Migration einen größeren Raum einnehmen. Man ist gespannt, in welcher Form die Sammlung dort gezeigt werden wird und ob sich die Ausstellung – wie im Pariser Louvre und im Musée du Quai Branly – nach ästhetischen Kriterien richten wird und die Gratwanderung zwischen naturkundlicher und kunstmusealer Präsentation schafft, die beim Musée du Quai Branly kritisiert wird.

Im Humboldt-Forum sollen Zeugnisse der Kunst und Kultur Afrikas, Asiens, Amerikas und Ozeaniens aus den Sammlungen der Staatlichen Museen zu Berlin gespeichertes Wissen aus den Büchern und aus modernen Medien der Zentral- und Landesbibliothek Berlin durch die Wissenschaft der Humboldt-Universität zu Berlin ergänzt werden. Ein „Schaufenster der Wissenschaft“ wird aktuelle Forschung über außereuropäische Länder und Regionen zur Diskussion stellen und darüber hinaus sollen einschlägige Stücke aus den wissenschaftlichen Sammlungen gemeinsam mit den Museen präsentiert werden.

Indem das Humboldt-Forum den klassischen, abendländischen Blick auf die Welt durch außereuropäische Sichtweisen ergänzen möchte, will es neue Einblicke und Zugänge zu „Weltwissen“ und „Weltkulturen“ öffnen.

Ein anspruchsvolles Vorhaben für die „arts premiers“ und die nicht zu verdrängende Kolonialgeschichte.

Katia Hermann