Textredaktion auf deutsch und französisch, übersetzt in Englische, für den Katalog:
DUALIS / URBAN LETTERING / CREN & AKTE ONE (Publikation Urban Art Liga e.V., Berlin 2017)
AKTE ONE entdeckte das Graffiti Writing für sich in seiner Jugend in Berlin Anfang der 90er Jahre und malte später u.a. als Mitglied der Crew TLB und diversen anderen Graffiti im urbanen Raum. In der Szene wurde er für seine Graffiti-Kunst im Laufe der 25 Jahre Schaffenszeit bekannt und bewies ebenfalls Talent im Rappen, produzierte mehrere Alben und gehört heute zu einem der etablierten Vertreter der Berliner Hip-Hop- und Graffitiszene. Neben seinem künstlerischen Schaffen ist es AKTE ein besonderes Anliegen, diese Kultur an den Nachwuchs weiterzuvermitteln.
Als gelernter Schilder- und Lichtreklamehersteller wurde AKTE von der Typographie geprägt und setzte sie in seinen künstlerischen Arbeiten ein. Stets entwickelte er Schriftzüge in Skizzen sowie Graffiti weiter, erfand sein Logo a! , welches mittlerweile auf fast jedem seiner Werke zu finden ist. AKTE entdeckte im Laufe seiner Schaffenszeit im urbanen Raum parallel das kleine Format in Form der Leinwand für neue Experimente im Atelier und erarbeitete somit neue zusätzliche Techniken.
Lettering und Hand Styles blieben weiterhin auch in seinen Atelierarbeiten im Fokus. Wie einst auf Wänden stehen Wörter hier auf Leinwand im Wildstyle zweidimensional skizzenhaft oder mit dreidi-mensionalem Ansatz auf abstrakten farbigen Hintergründen, die er mit Sprühdose und Acryl anfertigt. Der Marker bleibt weiterhin sein Utensil zum Zeichnen, hiermit zieht er z.B. akribisch die Outlines während der abstrakte Hintergrund in geometrische farbige Zonen aufgeteilt ist. Hinzugefügte Pinselstriche sowie Tropfspuren lassen mehrere Farbfelder und Schichten im Bild entstehen und schaffen somit Raum.
In einer weiteren Serie scheinen bunte Buchstaben im Raum zu schweben, lose, vom Wort gelöst, am Boden angehäuft oder wirbelnd durcheinander. Wie Gegenstände füllen sie den Raum der Leinwand oder lösen sich teilweise in reine Farben auf. Eigens entworfene Comic Characters mit Sprühdosen oder eine Sprühdose tauchen in manchen Arbeiten mal als Subjekt im Vordergrund oder wie bei der Serie „Innerframes“ anekdotisch und humorvoll neben den Buchstaben im Bild auf. Für „Innerframes“ stehen die figurativen Hauptmotive wie die Hand mit Sprühdose oder ein Smiley vor einem gemalten Rahmen mit Marmorstruktur im Bild. Hier spielt AKTE mit dem gerahmten Bild im Bild und den so entstandenen Ebenen. Der Aufbau ist in dieser Serie klarer strukturiert und durch den Comic Stil und das Füllen der Flächen mit AKTEs üblichen Strukturen von der Pop Art inspiriert.
Einige von AKTEs Bildern sind stark abstrahiert, nur einige Wörter im 2D-Skizzen Wildstyle scheinen als Detail in die Farbflächen geritzt, in anderen bilden kleine aneinandergereihte kalligraphische Buchstaben den Hintergrund. In einigen sind das Wort und die Figuration ganz verschwunden und die
Farbflächen verschmelzen ineinander mit nur wenigen frei gezogenen Linien aus der Sprühdose. Die Grundfarben CMYK und auch tonale Abstufungen sind Teil seiner Farbpalette sowie Effekte mit grauen Strukturen, die er manchmal als Hintergrund nutzt und an abgenutzte graue Stadtwände aus Beton erinnern, auf welchem die knalligen Farben wiederum mehr Kontrast erfahren. Das Spiel zwischen alt und neu, trist und lebhaft, Harmonie und Chaos lässt die Dynamik, Experimentierfreude und Spontaneität des malerischen Prozesses von AKTE spürbar werden.
Frei und variationsreich entwickelt er im Atelier auf Leinwänden eine „Assemblage-Malerei“, die durch das Abstrahieren und die angewandte Mischtechnik bunte Kompositionen aus Buchstaben im Wildstyle, Comicfiguren, Tags, Farbflächen, Streifen, Kratzer, Farbspritzer und Tropfspuren entstehen lässt. AKTEs Malerei fordert somit den Betrachter zu längerem Anblicken heraus und zeugt anhand von „Zitaten“ aus seiner Graffitisprache von der über viele Jahre verinnerlichten Hip-Hop Kultur.
AKTE ONE Fata Morgana, 2018, mixed media, 100 x 100 cm ©AKTE ONE
CREN ONE
Einst in den 90er Jahren im urbanen Raum als Graffiti großformatig an Mauern im Wildstyle entstanden, wanderte das Writing/Lettering von CREN auf verschiedene Untergründe in sein Atelier. Alte und neue Techniken entwickeln sich hier auf unterschiedlichen Formaten, auf denen sich der malerische Ansatz behauptet: Neben freihändigem Malen und Schablonennutzung mit der Sprühdose sind tropfende Farbmaterie und Pinselstriche eingearbeitet, eine dem Künstler eigene Mischtechnik, durch die mehrere malerische Schichten im Prozess entstehen.
CREN s Leidenschaft gilt nach 28 Jahren künstlerischen Werdegangs weiterhin dem Lettering. Auf Papier, Leinwand oder Trabanthauben malt er Buchstaben schwungvoll, großflächig, kalligraphisch und leicht abstrahiert. Der Künstler nutzt die Felder zwischen den Konturen (outlines) als zusätzliche Farbflächen und füllt sie mit puren Farben aus, um Highlights zu setzen und erzeugt somit eine ausgeglichene Komposition auf einer mehrschichtigen Fläche. Buchstaben werden einzeln mit meist runden Linien gezogen und als ineinander fließende oder sich überlappende flache Formen angeordnet, die fast unlesbar werden. Oft wird der Name CREN künstlerisch verwertet. Das Lettering wird durch Farbstrukturen und Drippings im Hintergrund und/oder auch im Vordergrund in eine Art Zwischenebene eingebettet. Weiß-graue dominierende Töne erinnern an die Farbe und Materie des Betons der Stadt, während die puren Farben poppig hervortreten. Das Lettering wird zum Motiv, gar zum Subjekt dieser abstrakteren Werke.
In anderen Arbeiten wird das Lettering mit figurativen Elementen, wie menschlichen Figuren, Comichelden oder Gegenständen, kombiniert. Im Comic Stil gezeichnet, mit Sprechblasentext oder Onomatopöien im Bild, erinnert die Figuration an die Pop Art eines Roy Lichtensteins, die CREN unter anderen nachhaltig prägte. In dieser Werkreihe werden die figurativen Elemente meist zum Subjekt des Bildes in Grautönen, zu einer Interpretation, und CREN spielt hier mit dem farbigen Lettering: mal steht es ornamental im Hintergrund, mal sind Letteringpatterns ornamental in figurative Elemente, wie Brillengläser oder Stöckelschuh, eingefügt. Humorvolle Titel mit den Wörtern Tag oder Bombing sind hier direkte Referenzen auf die Graffitikunst. Die Arbeiten auf Trabanthauben, die Serie „wind of change“, beinhalten direkte Anspielungen auf die DDR-Vergangenheit und die geteilte Stadt Berlin.
Lettering, Pop Art-Figuration und informelle Kunst vermischen sich in CRENs Werken in ein Crossover mit dem Wunsch nach Harmonie und Gleichgewicht der Bildkompositionen aus unterschiedlichen Formen, Stilrichtungen und Farben, ohne das Lettering und Hand Styles jemals aufzugeben. Sein Style ist unverkennbar, seine Kompositionen laden den Blick des Betrachters spielerisch ein, die Vielschichtigkeit seiner Kunst entziffern zu wollen.
Michel «CREN» Pietsch, aka CREN ONE, wurde als Deutsch-Franzose 1970 bei Hannover geboren. Er entdeckte in den 80er Jahren die Hip-Hop Kultur und die Graffiti Kunst, vor allem durch Reisen nach Frankreich, und fing kurz darauf an, Skizzen im 2D-Semi-Wildstyle anzufertigen. 1989 griff er erstmals zur Sprühdose. Seitdem hat er in seinem langen künstlerischen Schaffen in 14 Ländern auf drei Kontinenten Werke im öffentlichen Raum produziert und Atelier-Arbeiten in Ausstellungen gezeigt. CREN lebt und arbeitet seit 2009 in Berlin.
CREN, Funkhaus Block D1.2, 2017, mixed media, 100 x 140 cm ©CREN
AKTE & CREN
Die Zusammenarbeit der Künstler AKTE und CREN begann Anfang 2016. Die Liebe zum Lettering und die Suche nach dem Ausgewogenen zwischen Harmonie und Kontrast motivierte sie , zusammen zu schaffen. Sie erarbeiten seitdem gemeinsam Werke, die sie in zwei Flächen oder auch zwei Leinwände aufteilen und abwechselnd, sukzessiv oder gleichzeitig bemalen.
Für ihre erste Arbeit suchten sie nach zwei gleich großen Flächen in einem Bild und kamen auf die Idee des Yin – und Yang – Zeichens. Yin und Yang sind zwei Begriffe der chinesischen Philosophie, insbesondere des Daoismus, und stehen für polar einander entgegengesetzte und dennoch aufeinander bezogene Kräfte oder Prinzipien. Da CREN eher strukturiert arbeitet und AKTE dagegen frei und spontan, vereinen s ie diese entgegengesetzten Arbeitsweisen in ihren Gemeinschaftsarbeiten auf komplementäre und harmonische Weise. Bei einem Schwarzlichtprojekt entdeckte AKTE, wie man mit fluoreszierenden Farben auf schwarzem Hintergrund 3D – Bilder erzeugen kann, die mit einer 3D – Chroma Depth Brille dreidimensional zu sehen sind. Im Atelier wurde dann mit der spezifischen Brille experimentiert , um 3D – Effekte mit verschiedenen Farben, Schichten und Strukturen auf Leinwänden zu erzeugen. So entstand ihr erstes 3D – Bild „Yin und Yang“. Das kalte Blau und das warme Orange in dem Bild ermöglichen die Tiefenebenen des 3D – Effektes. Durch den grau – schwarzen Hintergrund heben sich die Farbflächen besonders gut in den Vordergrund ab. Das Yin wurde dann mit Lettering von CREN und das Yang von AKTE in dem einen Werk versehen und umgekehrt im zweiten Werk. Durch genaues Betrachten kann man die Namen der Künstler entziffern und erkennt die Hand – Styles („Handschrift“) des Einzelnen. Im Gemeinschaftswerk bleibt somit trotz Fusionieren die Individualität des Einzelnen erhalten. Ihre 3D – Technik ist ein großes Experimentierfeld, das sie weiterhin künstlerisch ausschöpfen.
Die Arbeit „Orange Glazed “ auf zwei Leinwänden wurde ebenfalls mit vier Händen angefertigt und ermöglichte gleichzeitiges anstatt sukzessives Arbeiten. Der blaue und orange Donut nimmt die ganze quadratische Leinwand ein und enthält in seiner Mitte eine stilisierte Lilie, die „Fleur de Lys“ – das Symbol der französischen Monarchie – , die für den Deutsch – Franzosen CREN eine direkte Anspielung auf Frankreich ist und hier zudem formal ein edles Motiv a ls Gegenstück zum simplen Donut darstellt. In den Ecken der Leinwand befinden sich AKT Es und CRENs Tags, der Zuckerguss der Donuts ist jeweils mit dekorativem Lettering versehen und ergibt im 3D – Effekt eine zusätzliche Ebene, ein Ornament im Vordergrund. Für die Arbeit mit zwei Boxhandschuhen, die sich in der Mitte treffen, arbeitete das Duo ähnlich. Dieses Werk im Comic Stil mit Onomatopöien erinnert an die Pop Art mit der zusätzlichen zeitgenössischen Dimension des Graffiti durch das Lettering, das hier als Muster die Flächen füllt.
Für das Street Art – Projekt „The Haus“ mit 167 Künstlern, das von März bis Juni 2017 in der Nähe des Kudamms zu sehen war, kreierten AKTE & CREN eine beeindruckende Rauminstallation, in der sie das Motiv vom Yin und Yang wiederaufnahmen. In der begehbaren Installation eines 15 m. großen ehemaligen Büroraumes stehen sich zwei große runde Holzarbeiten in einer blau/gelben und gelb/blauen Yin und Yang – 3D – Variante gegenüber. Die Tondi hängen in Augenhöhe an den von oben bis unten schwarz – grau und weiß bemalten Wänden. Die groben Sprühspuren und Spritzer an den Wänden symbolisieren das Chaos der heutigen Welt, die Motive der Granate und der Bombe die Zerstörungswut des Krieges und stehen im Kontrast zur Harmoniesymbolik der Yin und Yang – Bilder. Der Boden wurde weiß lackiert und symbolisiert hier die Unschuld, die durch die vielen Besucher mit der Zeit beschmutzt wird und somit ihr e Reinheit verliert. In der Mitte des Raumes ist am Boden ein Kreis gemalt. Er ist so groß wie die Yin und Yang – Bilder und mit edler Marmorstruktur verziert. In dessen Mitte präsentiert ein weißer Sockel im klassizistischen Stil eine 3D – Brille. Der Marmorkreis fungiert hier für den Besucher als Hemmschwelle, die es zu überwinden gilt, um die Brille zu nehmen und somit die Yin und Yang – Bilder dreidimensional wahrnehmen zu können.
Für AKTE und CREN ist diese Rauminstallation ein Experiment der Wahrnehmung und Deutung im Raum, mit und oh ne 3D – Brille. Diese Arbeit i st eine Art performative Kunst/ Aktionskunst, wo der Betrachter/Besucher Akteur wird, indem er die 3D – Brille benutzt und den Boden mit seinem Betreten beschmutzt. Mit Anspielung auf den chaotischen Zustand unserer Welt und das zerstörerische Dasein des Menschen sowie einem Hoffnungsschimmer im Yin – und Yang – Zeichen geht das Künstlerduo mit diesem Werk inhaltlich sowie formal einen großen gemeinsamen künstlerischen Schritt weiter und verspricht weitere spannende zukünftige Projekte .
AKTE & CREN, Wind of change -Yin Yang, 2018, mixed media ©AKTE&CREN
Links Online shop/ Pop Up Show & Book release Urban Spree, Berlin, Januar 2018:
online shop: http://www.graffitiboxshop.de/Cren-Akte-Dualis-Buch
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