Erschienen auf www.artandevents.mediaquell.com, 2009
Das gerichtliche Gerangel um die Plastinationsausstellung „Our body – à corps ouvert“ endete am 21. April 2009 in Paris mit einem Schnellgerichtsurteil. Das Pariser Landsgericht verbot die heftig umstrittene Schau. Doch die Firma „Encore Events“ legte Berufung ein und erklärte, es gäbe circa 20 anatomische Ausstellungen dieser Art, die in der Welt wandern und nicht verboten werden. Die Entscheidung des Appelationsgerichtshofes fiel nur 9 Tage später: das Verbot bleibt. Die Ausstellung musste geräumt werden, ihr Verbot ist ein seltener Fall in Frankreich.
„Die durch das Gesetz zugewiesene Ruhestätte einer Leiche ist der Friedhof“, hatte der Richter des Pariser Schnellgerichtshofs betont. Er ließ die Ausstellung schließen, die in 24 Stunden geräumt werden musste und die Exponate, d.h. die Körper der Ausstellung, beschlagnahmen, so lange, bis eine Lösung konform mit dem Beisetzungsrecht durch die französischen Behörden gefunden wird.
Die präparierten Leichen, die in der Pariser Ausstellung gezeigt wurden, gehören laut Aussteller der Stiftung „Anatomical Sciences and Technologie“ in Hong Kong, die sie legal gespendet haben soll. Die Spender oder die Angehörigen sollen zur Körperspende eingewilligt haben. Der Ausstellungsorganisator, die Firma „Encore Events“, hatte eine Konvention mit dieser Stiftung unterzeichnet. Doch diese beweist nicht die Einwilligung der Verstorbenen, sagte der Anwalt der zwei klagenden Verbände „Solidarité Chine“ und „Ensemble contre la peine de mort“.
„In China gibt es einen illegalen, verbreiteten Handel mit Leichen, Körperteilen und Organen“ fügte der Anwalt hinzu, das simple Papier einer chinesischen Stiftung ohne Sitz oder Telefonnummer reiche als Beweis nicht aus. Die Stiftung „Anatomical Sciences and Technologie“ sei zudem im medizinischen Kreise unbekannt.
Einer der Anwälte der angeklagten Firma behauptet, die Entscheidung des Richters müsse dann auch dazu führen jegliche Ausstellung zu schließen, die Mumien oder Fötusse in Gläsern zeigt. Ganze Räume des Pariser Musée de l´Homme wären dann betroffen und müssten schließen. Oder, fügte der Geschäftsführer der Firma Pascal Bernardin hinzu, die Ecorchés des Anatomisten Honoré Fragonard im Museum der Tierarztschule in Maisons-Alfort. Der Museumsdirektor in Maisons-Alfort äußerte darauf: „Diese Körper, die Ecorchés des 18. Jahrhunderts, spiegeln einen Moment der anatomischen Wissenschaftsgeschichte wieder. Die Körper stammten aus Hospizen, sie wurden für die Lehre hergestellt. Die ethische Abweichung ist radikal“.
In seinem Urteil hatte der Richter erwogen, dass die Leichen-Ausstellung dem Respekt des menschlichen Körpers schade. Die Inszenierung der zerschnittenen Leichen, teilweise gefärbt oder in bestimmten Positionen dargestellt sei eine Verletzung des Anstands. Er berief sich auf ein Gesetz von Dezember 2008, indem die Rechte für den Schutz des Menschen auch für die von Leichen gültig gemacht wurden. Der Staatanwalt sagte, das Gesetz verbiete Konventionen die Körperhandel beinhalten. Die Kommerzia-lisierung sei eine offensichtliche Verletzung des Respekts der Toten. Der private Besitz von Leichen ist verboten. Jeder Tote hat Anrecht auf eine Bestattung, außer wenn medizinische Gründe vorliegen.
Bis zu 120 000 Besucher sahen die Pariser Ausstellung. Sie sollte bis Mai andauern und weiterwandern. Vor Paris war sie in Frankreich in Marseille und Lyon zu sehen. Doch die französische Justiz machte nun einen Strich durch die Rechnung.
Diese Art von „Leichen-Ausstellungen“ touren weltweit friedlich weiter, wie die von dem Erfinder des Plastinationsverfahren Gunther van Hagen, die ab 7. Mai in Berlin zu sehen ist. Das Thema und der Titel dieser 2. Ausgabe in Berlin: Körperwelten & der Zyklus des Lebens. Ausgerechnet das Leben wird mit Toten inszeniert. Die vieldiskutierte Leicheninszenierung hatte vor 8 Jahren in Berlin bis zu 1,43 Millionen Besucher angelockt und wurde bis jetzt nie verboten. Das erste Verbot dieser Art präparierter Leichen-Ausstellungen deklariert das Land der kulturellen Toleranz und der Menschenrechte.
Katia Hermann