Ulrike Bolenz zwischen Fotografie und Malerei auf der Berliner Liste 2009

Published on www.artandevents.mediaquell.com 2009


Die Kunstmesse Berliner Liste 2009 gilt als experimenteller Ort für junge Galerien und aktuelle Kunst. Dieses Jahr werden auf vier Etagen 60 Galerien aus 14 Ländern in einer entspannten Atmosphäre im Palais am Tiergarten vorgestellt. Im Focus steht die osteuropäische Kunstszene sowie Spanien, die Hälfte der ausstellenden Galerien stammen jedoch aus Deutschland, so auch die Marburger Galerie Michael W. Schmalfuss.

Bei Michael W. Schmalfuss werden Werke der deutschen, in Belgien lebenden Künstlerin Ulrike Bolenz präsentiert. 1958 geboren, studierte sie an der Hochschule für Bildende Künste in Kassel bei Professor Manfred Bluth und Professor Tom Gramse. Seit 1994 stellt sie mehrmals im Jahr an verschiedenen Orten in Europa aus und erhielt zahlreiche Preise. Sie ist nun zum ersten Mal auf einer Berliner Kunstmesse zu sehen.

Die Figur Mensch im Fokus

Ulrike Bolenz entwickelt seit Jahren eine einmalige Technik, die untrennbar von ihren Themen und Motiven wird. Ein fotografischen Moment – ein Videostill von einem Video – vom Menschen, ein Akt, Moment des Gestus wird zum Ausgangspunkt eines Werkes. Das Negativ wird teilweise bearbeitet. Der Abzug und die Vergrößerung in die Menschensgröße auf Plexiglas, Acrylfolien oder Platten ermöglichen ihr eine Arbeit mit Schichten, Überlappungen, ein Spiel mit Transparenz, Kontrast, Schatten und Licht. Die mit Pinsel aufgetragene Acrylfarbe akzentuiert Konturen, fügt Farbflächen hinzu und setzt eine „fassbare“ Materie auf den teilweise plastischen Hintergrund. Mit Kohle zeichnet Ulrike Bolenz Linien, erweitert oder verdoppelt die Figur Mensch. Das Ganze ergibt Figurationen, Bilder von Bildern, geschichtete, überlappte Silhouetten, Verwischungen, komplette oder Teil-Transparenzen, diffuses oder gespiegeltes Licht und ein neuer Raum entsteht.

Der Mensch wird nackt ohne Zeichen oder Attribute dargestellt. Der Mensch pur als Frau oder Mann. Zeitlos, eigentlich ohne Individualität, in einer digitalen Struktur, ein Netz von Pinsel- und Kohlestrichen eingefangen. Ulrike Bolenz schafft es, das menschliche Bild – die Kreatur – in seiner Essenz zu erfassen. Fortschreitend trotz seiner Verletzbarkeit als „Versuchskaninchen oder Testperson“, wirkt er resistent und scheint zwischen Räumlichkeiten zu „schweben“. Der bekannte belgische Autor, Philosoph und Kurator Willem Elias erwähnt in seinem Buch “Aspects of Belgian art after 1945 Part II“ einen wichtigen Aspekt von Bolenz menschlicher Figur: „What is true is that Bolenz does not abuse the nude to make the erotic explicit. In any case, this fits her style, in which she tries to be as expressive as possible, without becoming expressionist.“

Die Arbeit der Künstlerin ist äußerst rigoros und basiert auf einer einmaligen Technik, die sie meisterhaft beherrscht und von ihren Themen nicht mehr zu trennen ist: ihre Werke befragen immer wieder die Identität des Menschen, gefangen in unserer wissenschaftlich orientierten Gesellschaft, gefangen in künstlichen Räumen. Ihre Arbeiten, die drei Themen immer wiederbeleben, ziehen den Blick und das Bewusstsein des Betrachters interrogativ an und erweisen sich als wahres Gegenüber.

Die Themen

In den „Cloning“-Arbeiten (meist mit der Figur einer Frau), verweist die Doppelung der menschlichen Figur auf die genetische Manipulation, die mögliche“ Zucht“ des Menschen. Die Fläche wird mit biochemischen Chiffre bearbeitet. Die unheimliche und bedrohliche Metaphorik wird durch das präsente und scheinbar selbstsichere Auftreten der Figur etwas gemildert. Die rötlichen Töne verweisen auf Fleisch und Blut.

In den „Durchbrochenen Räumen/Kämpfenden“ versuchen die Figuren aus dem festgelegten Raum, sich durch körperliche Kraft zu wehren und hinter den Acrylplatten auszubrechen. Die Körpereruptionen fügen der Komposition eine interessante Dynamik hinzu. Der Ausdruck des Kampfes, Angriffs oder der „Notwehr“ ist perfekt festgehalten und der abgebildete Mensch schafft es teilweise auch die Platten zu sprengen.

Die wiederkehrenden „Ikarus“-Arbeiten thematisieren den fallenden Menschen. Mit angedeuteten Flügeln oder ohne fliegen sie meist in der Froschperspektive auf den Betrachter zu. Hier, auf der Berliner Liste, stellt sie zwei Werke dieser Serie aus, eine besonders „zarte“ dreidimensionale Installation aus gegossenem Polyethylen, bei der sie einen Flügel nur leicht suggeriert. Dieses Werk zieht die Besucher bei der Eröffnung ganz besonders an und zwingt, wie so oft bei ihren Installationen, den Besucher sich im Raum selbst zu bewegen.

Seit 2008/2009 dringt in den Werken von Ulrike Bolenz die Zeichnung wieder mehr in den Vordergrund. Der Mensch wird neben dem fotografischen Abbild mit Kohle skizziert. Dadurch entsteht eine stärkere Auseinandersetzung zwischen zwei nebeneinandergestellten Ausdrucksformen und zwischen den zwei Gestalten, die sich durch ihr Erscheinungsbild differenzieren.

Ein junges Werk unter den „Kämpfenden“ verrät das Verlangen zur Farbe und zum Pinsel. Die Vereinigung von Fotografie und Malerei, vom Menschen und der heutigen Gesellschaft ist das Anliegen von Ulrike Bolenz, die im kommenden Jahr in Gruppenausstellungen in

Belgien und Frankreich neben Werken bedeutender Künstler wie Marie-Jo Lafontaine, Christian Boltanski und Anselm Kiefer zu sehen sein wird.

Bis zum 27.09.2009 noch auf der Berliner Liste zu sehen.

Katia Hermann