Erschienen auf www.artandevents.mediaquell.com, 2009
„Tag“ – Ausstellung vom 27. März bis 26. April 2009 im Grand Palais, Paris
Die einmalige private Sammlung des Architekten Gallizia umfasst 300 Arbeiten von 150 Graffiti-Künstlern aus drei Generationen, aus aller Welt und versucht die Stilgeschichte des Graffitis zu erfassen. Die Sammlung wird nur einen Monat lang in einem der renommiertesten Ausstellungsorte in Paris gezeigt: in einem Seitenflügel des Grand Palais.
Graffiti erscheinen in einer Vielzahl von Ausprägungsformen. Bei den in Paris ausgestellten Werken handelt es sich um Auftragsarbeiten auf Leinwand. Die Größe der Leinwände und das Thema wurden von dem Architekten Alain-Dominique Gallizia, Liebhaber der Graffitikunst und Initiator des Projektes vorgeschrieben. Auf 60 x 180 cm durften sich die sogenannten internationalen Writer zum Thema und zum Wort Love austoben, wenn möglich in Gallizias Banlieue-Atelier in Boulogne-Billancourt bei Paris.
Durch die thematische Vorgabe sowie die definierte Fläche wurde den auserwählten Künstlern Schranken gesetzt, die sie im Ausüben ihrer Kunst selten erleben. Der Writer musste hier auf kleiner Fläche seinen eigenen Stil klar definieren und seine „Handschrift“ deutlich erkennbar machen. Die Leinwand ist unten links durch das Signaturkürzel oder Pseudonym, das „Tag“ signiert und das eindeutig den Autor identifiziert. Daher vielleicht auch der Titel der Ausstellung, der zur Konfusion führt: Tag und nicht Graffiti. Tag steht hier sicherlich nicht für den falsch angewendeten Allgemeinbegriff für Graffiti, sondern für die Signatur der Autoren, die hier geehrt werden sollen. Durch die Ansammlung der Werke entsteht ein Panorama verschiedener Stile und Techniken, die Künstler aus verschiedenen Ländern und Kulturen auf der Leinwand „verewigen“.
Denn das war auch das Anliegen des Initiators: Die Sammlung soll durch die Auswahl der renommiertesten Graffiti-Künstler einen Überblick, ein verständliches Bild der Graffiti-Bewegung geben. Es ist ein historisches Dokument dieser weltweiten kulturellen Bewegung, die eine der vier Elemente der Hip Hop Bewegung darstellt, denn schließlich begleiten Writer DJs, B Boys und MC´s. Von den old school Veteranen der New Yorker subway, die erste Welle europäischer Graffitikünstler bis hin zu den jüngsten Innovatoren des Genre, sind drei Generationen vertreten. Die Sammlung soll sich weiterhin für neue, aufkommende Talente öffnen.
Darco, ein deutsch-französischer Writer aus Paris, ist auch unter den Auserwählten. Seit 1984 sprüht er in und bei Paris, seit langem bekannt für seine rigorosen Schriftzüge und Buchstaben. Er ist mit seiner Gruppe FBI einer der Ersten in Frankreich, die sich um den Künstlerstatus von früh an bemühten. Heute ist er ein international anerkannter Pionier. Er sprüht im öffentlichen Raum sowie auf Leinwände, und dies schon von Anfang an. Er entwirft Bühnenbilder, Schmuck, Accessoires und Textilien und lebt von Auftragsarbeiten.
Darco wurde vor zwei Jahren von einem Mitarbeiter Gallizias kontaktiert, um ein existierendes Werk zu kaufen. Dann kam der Auftrag für die Sammlung und er schuf im Atelier von Gallizia sein Werk auf der bereitgestellten Leinwand, die er als Hochformat entwarf und in der Ausstellung als Querformat unter den weiteren querformatigen Exponaten hängt.
Für Darco war das Anliegen zwiespältig. Anfangs hieß, nur die Sprühtechnik solle benutzt werden. Dann wurden aber auch Mischtechniken von anderen Künstlern angewandt und akzepziert. Darco denkt, es wäre interessanter gewesen, strengere Vorgaben zu machen: Nur sprühen, also nur mit Sprühdosen und nur mit einer bestimmten Anzahl von Farben.
Seine Motivation an diesem Projekt teilzunehmen lag darin, mit der Ausstellung ein breites Publikum in dem Prestige-Rahmen des Grand Palais erreichen zu wollen. Natürlich findet er das Projekt als solches gut, denn es wird über die Bewegung gesprochen und erhält Aufsehen. Zur Frage ob der Querschnitt der Geschichte des Graffiti mit dieser Ausstellung gelungen ist, antwortet uns Darco in einem Gespräch: „Es ist eine grosse Palette vertreten, es ist aber nur eine Facette, denn einige wichtigen Künstler fehlen, weil sie vielleicht unauffindbar waren oder nicht teilnehmen wollten. Es ist auch unmöglich, mehr als 40 Jahre Graffiti-Geschichte anhand von 300 Werken auf Leinwand von 150 Künstlern zu erzählen. Die Gestaltung der Ausstellung ist auch nicht wirklich gelungen, sie wurde von jemandem kuratiert, der außerhalb der Bewegung steht. Sie ist ein Patchwork, indem die einzelnen Werke leider untergehen.“
Die Ausstellung verliert durch den länglichen Saal und das dichte Hängen der gleichformatigen Leinwände bedauerlicherweise an Qualität. Den Katalog zur Ausstellung sollte man dennoch loben, denn er ist und wird auch eines der wichtigsten Nachschlagewerke dieses Genre der street art.
Die Ausstellung soll in die wichtigsten Museen der Welt wandern. Vielleicht wird sie in Zukunft in Berlin zu sehen sein, wenn ein Museum den Mut hat sich so wie der Grand Palais dem heiß diskutierten Thema mit der Frage zu stellen, ob Graffiti Kunst sei. Die Besucher schreckt die umstrittene wie viel diskutierte Ausstellung nicht ab, sie kommen zahlreich.